SWR 1999, ca. 30′
„Motherfucker!“ brüllen die vier auf der Bühne im Chor. Und „Motherfucker!“ gröhlt das Publikum mit, wenn Explosión Suprema auftreten. 500 Leute schreien es wieder und wieder, obwohl oder weil genau das eigentlich verboten ist. 500 junge Leute zwischen 14 und 25, zweimal pro Woche, im Freilichttheater von Alamar, der riesigen Plattenbauvorstadt im Osten Havannas.
Mishael, der Verantwortliche für die Peña del Rap, ist auch für die Zensur der Texte verantwortlich. Wer auftreten will, muß ihm seine Texte schriftlich vorlegen. Neben politischen Äußerungen sind auch Beleidigungen tabu. Und Motherfucker zählt als Beleidigung, auch in Kuba. Wie es dann kommt, daß trotzdem Motherfucker geschrien wird? „Weil alle denken, Motherfucker sei etwas Nettes, Sympathisches“, lügt sich Mishael den Rücken frei. Doppelmoral als Normalfall.
Sie nennen sich Explosión Suprema, Instinto (Instinkt), Doble Filo (Doppelklinge), Reyes de la Calle (Könige der Straße) oder Amenaza (Bedrohung). Sie sind laut und jung, sie kennen die Straße, singen über Rassismus, Polizeipräsenz, über Liebesdinge.
Sie haben keine Plattenspieler, keine Sampler und keine CD-Spieler. Ihre Backgrounds sind Kopien von Kopien auf abgenudelten Cassetten. Aber sie haben ihre Worte und reichlich Selbstbewußtsein, denn sie repräsentieren das junge Havanna. Und sie wollen mindestens so berühmt werden wie die alten Herren vom Social Club.